3. November / km 3834

3. November / km 3834 / Fes (M)

Der schwarze Kontinent zeigt uns heute dass er auch Sonne kann. Und der Wind, der schiebt uns regelrecht nach Fes. Vor Mittag sind wir schon eingetrudelt. Bis wir eine Unterkunft haben, … das ist spannend. Durch die Medina, die Altstadt, mit ihren Gassen, nicht mal einen Meter breit, Treppen hoch und runter, mit dem ganzen Gepäck hintendrauf, und dann kommt auch noch der beladene Esel im Gegenverkehr …  wir waren letztlich erfolgreich.

Blick über die Medina, Altstadt von Fes

Die Hauptattraktion der Stadt sind die großen Gerbereien. Circa 1170 n Chr. sind sie entstanden, das Gerbverfahren für die Felle wurde seitdem nicht verändert. Die Tierfelle werden zuerst mit Salz, dann mit Kalk, mit Taubenmist gegerbt und letztendlich mit Naturfarben eingefärbt. Die einzelnen Schritte dauern jeweils mehrere Tage bis zu zwei Wochen. Alleine in der Farbe lässt man sie über 20 Tage liegen. Sie müssen immer wieder bewegt werden. Die Gerber, die hier arbeiten, erledigen das mit ihren Füßen. Diese uralten Methoden, die Bottiche, … es ist wirklich faszinierend. Jeder bekommt ein Minzeblatt, um es sich unter die Nase zu halten. In der Sommerhitze ist das bestimmt dringend nötig, zur Zeit eher nicht.

Gerbereien von Fes

Trocknen der Tierhäute

Dass man für die Aussicht über die Gerbereien – natürlich gratis, wie unten groß ansteht – trotzdem gerne eine kleine Spende hätte, ist nicht weiter verwunderlich. Dass man unsere Spende dann aber empört zurückweist, „das sei viel zu wenig“ … das verstört mich dann doch. Die scheinen hier sehr verwöhnt zu sein von den ganzen Touristengruppen … Oder waren sie nur beleidigt, dass wir kein Leder kaufen wollten?

Wir kaufen für uns lebenswichtigere Dinge in Form von Oliven, Datteln, Brot, Bananen, Wasser. Dass wir den nachhause Weg, zurück durch diese verwinkelten „1 Meter breit, 7 Meter hoch“ Gassen, noch Mal gefunden haben – das grenzt an ein Wunder. Allah hu akbar …

… und das Minzeblatt kommt nun in die lecker riechenden, endlich mal trockenen Radschuhe…

 

2. November / km 3767

2. November / km 3767 / Meknes (M)

Die ganz grauen Wolken haben sich im Laufe der Nacht verzogen. Wir sind erstaunt, am Fuße einer kleinen Gebirgskette gelandet zu sein, die wir gestern überhaupt nicht wahrnehmen konnten. Die landschaftliche Monotonie hat ein Ende. Es nieselt nur noch und für winzige Momente schickt uns die Sonne sogar ein paar Strahlen.

Bis zum Mittag sind wir in Meknes, eine der drei alten Königsstädte, angekommen. Sie  empfängt uns mit viel Verkehr und Abgas-geschwängerter Luft. Wir „wurschteln“ uns in diesem Gewusel bis zum Place El Hedim vor. Hier gibt es in den Seitengässchen wunderschöne Riads (Innenhöfe) die Übernachtungsmöglichkeiten bieten – und natürlich viele Sehenswürdigkeiten.

Die touristische Infrastruktur, wissen wir nach der gestrigen Erfahrung zu schätzen: In Sidi Kassem reihte sich ein Salon de Thé an den nächsten. Die haben auch leckere Süßigkeiten aber eine vernünftige Mahlzeit ist in den kleinen Orten oft nur schwerlich zu erhalten.

Hier hingegen gibt es kleine Stände von denen wir kosten, (was auch immer es ist – aber lecker) Restaurants, die alles bieten, was das hungrige Herz begehrt …

Am Abend beobachten wir das Treiben auf dem Place El Hedim. Musikgruppen, Geschichtenerzähler, Fantaflaschen- Angler, Wunderheiler, Leguan-Verkäufer,  Affendompteure … eine wilde Mischung.

Die Fantaflaschenangler von Meknes – der Ring muss um den Flaschenhals und das gestaltet sich schwierig

Das hilft bestimmt … und gegen alles

Zwei Männer sitzen in einer Art Kellergasse und befeuern mit Sägespänen einen riesigen Ofen. Wir dürfen näher treten und zuschauen wie das Feuer direkt durch den riesigen Kamin abgezogen wird. Das Feuer erhitzt das Wasser für das Frauen-Hammam, wie sie uns stolz informieren. – Na dann macht den Mädels mal schön warm …

der Ofen unterm Hammam

1. November / km 3718

1. November / km 3718 / Sidi Kassem (M)

Gerne stelle ich die Radschuhe zum Lüften über Nacht nach draußen auf die Fensterbank. Diese Nacht wurden wir von heftigem Gewitter und prasselndem Regen geweckt. Zu spät. Schuhe rein, Fenster zu, die triefenden Teile trage ich ins Bad. –  Dann beginnt halt schon wieder ein Tag mit nassen Radschuhen, nicht so schlimm, kennen wir ja, same procedure as every day …

Wenn das Licht schon mal an ist, jagen wir auch gleich noch die Moskitos, die uns geärgert haben. Licht aus, weiterschlafen. Kurze Zeit danach sind wir schon wieder wach. Ein monotones „blöp“. – Prima, nun regnet es nicht mehr durch´s Fenster sondern durch die Decke … Im Bad steht ein Eimer, der nun dringend gebraucht wird. Dann drehen wir uns die Ohrstöpsel rein, jetzt reicht´s.

Man wähnte sich ja schon kurz vor der Wüste, aber hier schüttet es wie in den inneren Tropen. Regelrechte Flüsse überspülen die Straßen. Braunes, schmuddeliges Wasser überall.

Dieter und die große Flut

Die Kleinstädte, die wir heute passieren, samt ihrer Umgebung sind unglaublich elend, schmutzig und vermüllt. Wenn dann noch alles unter Wasser steht, das spottet jeder Beschreibung und – es stinkt.

ohne Worte…

Wir halten in einem Cafe um ein Brot zu erstehen. Mückenschwärme. Soo viele? Ach, kein Wunder –  das liegt wohl an der toten Ratte im Rinnstein. Nein, es ist nicht schön!

Die großen Reisebusse auf ihrem Weg nach Meknes tun einen Teufel, hier zu stoppen. Da wär es bald vorbei mit lustigem Tourismus. Wenn ich Königin von Marokko wäre, dann würde ich zu aller erst mal „aufräumen und Müll einsammeln“ anordnen.

31. Oktober / km 3617

31. Oktober / km 3617 / Kasr el Kebir (M)

Es sind ja oft die kleinen ersten Eindrücke, die lange nachwirken. Gestern auf der Fähre, froh uns für kurze Zeit der nassen Sachen entledigen zu dürfen und etwas Wärme zu tanken, suchen wir uns einen freien Platz (davon gibt es viele) und füllen die Einreiseformulare aus. Wenige Minuten später spricht uns ein junger Mann auf Englisch an. „Das hier sind unsere Plätze. Wir haben hier gesessen, stehen nun an der Bar, sie können hier nicht bleiben, bitte gehen Sie.“

Nichts hatte darauf hingedeutet, dass hier besetzt ist, wir bleiben. Dann kommt der Rest der Familie, setzt sich (genug Platz für alle). Sie würdigen uns kleines Blickes, zeigen uns ziemlich deutlich, dass wir nicht willkommen sind, drücken mit ihren gold-beringten Händen auf den allerneusten Handys rum … Ihr super teures blitzeblankes  Auto, steht in der ersten Reihe zum Verlassen der Fähre. Sie sind es auch die als erstes den Motor anlassen, die anderen verpesten und am liebsten noch die Fußgänger übern Haufen fahren würden. So ein arrogantes, neureiches Pack!

In Tanger ist durch den Status der Freihandelszone viel Geld gemacht worden. Das spürt man, das sieht man. Aber – müssen die mit ihren dicken Land Rovern deshalb durch die engen Gassen brettern und alles andere von der Straße fegen? Und der arrogante Blick, – der ist uns gestern Abend noch öfter begegnet.

Heute Morgen sah die Welt wieder anders aus. Kein Regen, Frühstück, Internetcafé, Wasser kaufen, Ketten ölen und hinaus aus der Stadt.

Fahrradwartung vor der Weiterfahrt, die Ketten haben schwer gelitten

Es wird ländlicher und die Menschen freundlicher. Sobald man jemanden grüßt, strahlen sie zurück, winken und grüßen. Manche Kinder sind ganz aus dem Häuschen, rennen winkend an die Straße. Buben reiten auf Eseln. Schäfer, Kuh- und Schafshirten am Wegesrand.

… und hier gibt s Melonen

Der motorisierte Teil der Bevölkerung steht auf Mercedes, am besten Diesel 240, noch besser in quietsch-cyan lackiert.

Überall hat der Regen seine Spuren hinterlassen, ganze Felder sind überflutet.

Land unter

Um halb sechs rollen wir nach Kasr el Kabir. Allerhöchste Zeit irgendwo ein Platz für die Nacht zu finden. Es ist schon dämmrig. In den Vororten fühlen wir uns schlagartig nach Indien versetzt. Eselskarren, Fußgänger Fahrräder, Pferde, Mopeds und Autos kreuzen und hupen im gelblich blassen Straßenlicht wild durcheinander. Ich bin froh, dass auf das „Tscheiß GPS“ wieder einmal Verlass ist. Hotel, duschen, Essen. Heute ist Dieters Geburtstag und das feiern wir so gebührend wie möglich. Jeder bekommt ein halbes Huhn, Reis und Salat. (Vor Salat warnt ja jeder Reiseführer, er war jedoch sooo gut, und für den Fall der Fälle gibt es Apotheken. Die blinken statt mit grünem Kreuz – mit grünem Halbmond)

Nachher fragen wir uns durch, wo hier die Bar ist, wir spekulieren auf ein Bier … „ am besten geht ihr in die nächste Stadt, habt ihr ein Auto? Nicht? – Na ja, die Bar ist sehr versteckt, kein Licht außen … da vorne wo der Mann raus geht“…

 

30. Oktober / km 3506

30. Oktober / km 3506 / Tanger (A)

Extra früh sind wir aufgestanden. Die Wetterprognose: es soll tagsüber immer schlechter werden. Nach drei Kilometern brauchen wir schon die Regensachen. Egal, Hirn auf Stand by, nicht nachdenken sondern treten.

Zehn  Kilometer weiter, regnet es so stark, dass wir uns unterstellen müssen. Der Himmel ist monochrom, tiefgrau – also keine Front, sondern mieser, englischer Dauerregen. Was tun? Bahnlinien gibt es keine. Die Männer im Cafe, wo wir Schutz suchen, geben uns zur Auskunft: „Die Busse fahren dort drüben. Ihr dürft Busfahren, das Gepäck auch. Fahrräder dürfen nicht Bus fahren. Lasst doch die Fahrräder hier stehen und fahrt alleine“ … das passt nicht ins Konzept, also doch wieder -Stand by Modus einschalten und weiterkurbeln.

Dankbar für jeden Kilometer erreichen wir tatsächlich den riesigen, fast gespenstigen Windkraftpark, nun sind es nur noch 21 km. Auf der Straße recken sich synchron plötzlich wieder Hummerscheren drohend gegen uns. „Ja ja, wir machen einen großen Bogen um Euch – aber seid gewarnt, der LKW ist wenig beeindruckt, wenn der rote Hummer ihm droht“.

auf dem Weg nach Tarifa

fast gespenstig sehen sie aus

Fährhafen Tarifa: Perfektes Timing. Wir kaufen ein Ticket, rauf auf die Fähre und los. Es ist zwar das zwei Uhr Boot, unsere Uhr zeigt halb drei, Hauptsache wir kommen mit. Ich denke schon lange, dass ich das Gefühl  für die Zeit verloren habe. Sie ist aber auch dauernd verschoben: Portugal eine Stunde zurück, dann nach Spanien wieder eine Stunde vor. In der nächsten Nacht wurde die Uhr umgestellt, und nun ist wieder eine Stunde zurück …

Afrika! Da sind wir! Völlig durchweicht, triefend und bibbernd … und weiterhin regnet es Bindfäden. Der Zollbeamte kontrolliert den Pass, „hier raus“ zeigt er uns den Weg. Ich entgegne ihm: „eigentlich will ich hier gar nicht raus“ …

Die erstbeste Unterkunft war unsere. Heiße heiße heiße Dusche! Aah. Später leisten wir uns ein Casablanca Bier, der Kellner – optisch direkt dem gleichnamigen Film entsprungen – verwöhnt uns dazu gratis mit allerlei Leckereien. Das war ein nettes Willkommen. Den Rest würde ich mit: „alles scheiße, Deine Emmi“ zusammenfassen. Ich hoffe der erste Eindruck ändert sich bei besserem Wetter.

29. Oktober / km 3426

29. Oktober / km 3426 / Chiclana de la Frontera (E)

In Lissabon war es der eher schwermütige Fado, der an jeder Ecke zu hören war. Sevilla ist die Stadt des Flamenco. Irgendwo spielt immer ein Zweigespann: einer auf der Gitarre, der andere klatscht im zackigen Rhythmus. So verdient sich das Team einen kleinen Unterhalt, in den Kneipen der Altstadt. Im Hintergrund erhebt sich die Kathedrale, vom Vollmond beschienen.

Sevilla … das war gestern Abend, Kathedrale im Vollmondlicht

Heute Morgen sind die Gitarren verstummt. Ein !Radweg! geleitet uns stressfrei aus der Stadt heraus. Industriegebiete folgen, dann ist wieder Agrarwirtschaft angesagt. „Sag mal hat es hier geschneit?“ – Nein hier wird Baumwolle angepflanzt. Die fluschigen Wölkchen  und Fädchen liegen überall am Straßenrand, hängen in den Sträuchern und Gräsern. Die kleinen Feldwirtschaftswege teilen wir uns mit riesigen John Deere Traktoren und ähnlichem schwerem Gerät. Es ist Erntezeit. Und wir dürfen Zeuge werden, wie man die Baumwolle mit überdimensionierten „Rechen“ erntet und abtransportiert.

Baumwollrechen, der die Wölkchen fängt

Abtransport der Wölkchen

Das fluschige Gewölk begleitet uns noch sehr lange. Später führt der Weg vorbei an Jerez de la Frontera – hier haben wir unseren allerersten Kurzurlaub verbracht … vor acht Jahren hätten wir nicht vermutet, dass wir einmal mit dem Fahrrad wieder kommen würden …

Wir hoffen morgen trocken nach Tarifa zu gelangen und noch nach Tanger übersetzen zu können. Seit Anbeginn der Reise habe ich das Gefühl, dass der Körper recht schnell auf „Programm Palermo“ geschaltet hat. Immer wieder vergleichen wir die beiden Touren. Damals in Palermo habe ich mir gewünscht, dass es nicht zu Ende geht, dass wir in Afrika weiterfahren dürfen. Dieses Mal scheint das zu klappen. Keine Ahnung was uns dort erwartet. Wir sind sehr gespannt und ich hoffe, dass die Prophezeiung des heutigen Brotverkäufers nicht in Erfüllung geht, der mir sagt: „Ach, fahren Sie doch nicht dorthin, da wird man nur ausgeraubt.“

28. Oktober / km 3283

28. Oktober / km 3283 / Sevilla (E)

Spanier mutieren am Wochenende zu ausdauernden Feiernasen – zumindest in La Palma, zumindest in der Bar unter uns. Die ganze Nacht geht es laut und fröhlich zu, in den Morgenstunden ist dann mal Ruhe. – Bis sich um halb acht wieder das gefühlte ganze (männliche ) Dorf unter unserem Fenster zum Rauchen und Krackelen versammelt hat. Super Stimmung da unten!

Um neun ist alles schlagartig ruhig – wo sind die denn plötzlich alle hin? Gottesdienst? um die Sünden der letzten Nacht zu beichten? Beim Zurückgeben des Schlüssels sitzt noch ein letzter, versprengter (und vermutlich ungläubiger) Haufen an der Theke und knabbert Gebäck. Die ganze Bar liegt voller verknüllter Zettel – Getränkerechnungen, die nun die Putzfrau davon fegt.

Locker 50 km bis Sevilla – so hatte man sich den Morgen erträumt … Der Wind achtet die Sonntagsruhe genauso wenig, wie die Feiernasen. Einfach nur „volle Suppe“ ist die Devise.

Mit fest angezogener Handbremse kämpfen wir uns in die Stadt. Dieter und das „tscheiß GPS“ machen das wieder klasse! Wir landen bei Puente de Jerez, direkt am zentralsten Punkt, das erste Hostal ist unseres – die Radels dürfen nun die Aussicht vom Balkon genießen. Wir erkunden derweil Sevilla, das uns direkt in seinen Bann gezogen hat und für das Strampeln und Fluchen am Morgen reichlich entlohnt. Ein Besuch in Sevilla sei jedem ans Herz gelegt.

zwei Nasen am Plaza de Espana

27. Oktober / km 3224

27. Oktober / km 3224 / La Palma del Condado (E)

Auf nach Andalusien! 20 km trennen uns von der Grenze. Dieses Mal haben wir uns vorher erkundigt ob das wieder so eine Wochenend-Grenze ist, oder ob es eine richtige Brücke über den Grenzfluss gibt. Der Staudamm liegt ein Stückchen entfernt, es sollte keine Probleme geben.

Auf dem Weg dorthin treffen wir einen Belgier, der hier schon seit mehreren Jahren mit seinem Wohnmobil überwintert. Auf seinem Rennrad begleitet er uns ein wenig. „Dieser Landstrich ist die Wüste von Portugal, im letzten Winterhalbjahr hat es nur ein Mal pro Monat geregnet“, lässt er uns wissen.

Bei Pomarao passieren wir die Grenze. Keiner klatscht, keiner hält uns auf, keinen interessiert es. Lediglich als ich beim Entnehmen einer letzten portugiesischen Wasserprobe beinahe tüchtig ausgerutscht und in den Matsch gefallen wäre, da hätten die beiden Männer im Cafe dort bestimmt applaudiert … gut, dass ich mich noch fangen konnte, wäre ne ganz schöne Schweinerei geworden …

Keiner klatscht, keinen Interessiert es

In Andalusien tanzt auch nicht der Bär, die Landschaft scheint eher noch trockener. Ohne Verkehr rollen wir gemütlich dahin, genießen es. Und wenn ein Auto kommt dann hält es Abstand und der Fahrer hat es nicht ganz so eilig …

Abends radeln wir durch Niebla, die Menschen sitzen unterhalb der gewaltigen Festungsmauern in den Kneipen und Cafes, erhaschen die letzten Sonnenstrahlen.

Wir quartieren uns 50 Kilometer vor Sevilla ein. Bis dahin wollen wir morgen früh fahren, den Rest des Tages dort verbringen.

Dieter ist schon am Kochen. In Mértola haben wir einen Holzlöffel erstanden. Der rührt viel besser als der aus Plastik, der von der Hitze schon ganz verduddelt worden ist … Es gibt „Bicicletas“, ebenfalls aus Mértola.

lecker „bicicletas“ aus Mértola

26. Oktober / km 3100

26. Oktober / km 3100 / Mértola (P)

Nein, wir sind nicht mehr extra um den Block herumgefahren, der Tacho blieb tatsächlich genau so stehen! …

Der Volksmund sagt: „Lissabon ist Portugal, der Rest ist Landschaft“. Und genau so ist es. Felder, Felder, Tiere, dann kommt lange Zeit nicht s mehr. Sehr angenehm, so schön alleine unterwegs zu sein. Gesellschaft leisten uns lediglich Schafe, Ziegen, Kühe, Störche, kleine weiße Reiher und beim Anhalten: mächtig viele, lästige Stubenfliegen.

Auch sehr angenehm: der Wind. Heute sind wir auf der Gewinnerseite. Bei Seitenwind heißt das: bloß keine Hand vom Lenker! Kommt er von hinten, kann man „sailing to Mértola“ vor sich her pfeifen. Wow!

Und dann kamen uns zwei wie wir entgegen, schwer bepackt. Nun grüßen wir mal mitleidig …

Wir segeln also bis hier her, finden eine krachneue Unterkunft und ein Internetcafe. Der Ort ist richtig geschichtsträchtig, war mit seinem Hafen am Fluss Guardiana ein bedeutender Handelsplatz und gute hundert Jahre Sitz des Ritterordens von Santiago … so jedenfalls schildert es das deutsche(!) Faltblatt, das uns die nette Frau im Cafe heute Abend in die Hand drückt.

Mertola am Guardiana Fluss

25. Oktober / km 2975

25. Oktober / km 2975 / Grandola (P)

Wie angekündigt, verabschiedet uns Lissabon mit Gewitter und Regen bis spät in den Morgen hinein. Wir packen gemütlich unsere Habseligkeiten und rollen die fünf Kilometer zum Hafen hinunter. Eine weitere Flussüberquerung steht an, nur dass man dieses Mal offiziell Tickets für das Fährschiff kaufen kann und ich nicht befürchte, dass wir sinken oder verhaftet werden.

Auf der anderen Seite von Lissabon ist nur noch wenig Industrie angesiedelt, schnell wird es wieder ländlicher. Dafür müssen wir uns statt mit LKW s ständig mit Hunden rumschlagen, die gerne ein Stückchen Radfahrerwade erjagen würden. Scheinbar sind die besonders lecker – und seltenes Gut …

Die Autofahrer sind viel netter zu uns. Sanft hupen sie zu uns herüber und winken mitleidig hinter den verregneten Scheiben. Nur wehe es kommt ein Brummi. Die treiben ein garstiges Spiel! – Passen genau den Moment ab, wenn die Hupe auf Höhe des Radfahrerohres ist und blasen voll ins Horn. Das ist der Spaß des kleinen Mannes auf dem großen Bock – und noch möglichst nah am Radler vorbei, damit zum Horn auch noch mächtig der Wind weht – ach wie schön ist Portugal!

Kurz nach Alcácer do Sal: „Dieter, halt mal an, da ist ein Tier auf der Straße“ … das Tier ist ein Hummer, der sich wild mit seinen Zangen gegen mich verteidigt – ich „rette“ ihn trotzdem und bugsiere ihn wieder in den Fluss. Wenige Meter weiter ist das nächste Tier und das übernächste und alle recken uns die Scheren entgegen. Hier ist keine Kröten- sondern eine tödliche Hummerwanderung im Gange, wie die vielen roten Häufchen auf der Straße bezeugen…

Flusshummer auf der Wanderschaft

Trotz spektakulärer Gewitter und dazugehöriger Wolken  kommen wir noch trocken an. – Ha, zumindest diese Front hat uns nicht erwischt!

Einkaufen bei Lidl, die kleinen Märkte haben hier um sieben schon längst geschlossen. (Ja, Lidl und Aldi, haben ihren Siegeszug auch in Portugal fortgesetzt)

Die hiesige Unterkunft könnte – samt Personal – auch in der DDR sein. Lampen, Vorhänge und Möbel sind nicht auf 70er Jahre getrimmt, sie sind aus den 70ern. Das Telefon hat noch eine Wählscheibe! Die „Sonnenallee“ lässt grüßen, es wäre wenig verwunderlich ein vergessenes Glas Spreewaldgurken hier zu finden.

Siemens 9 / 74

Internet gibt s natürlich keins. Wir müssen dringend wieder nach Spanien… Hoffentlich lassen die uns noch mal rein, so ganz ohne Ausreisestempel?

Egal, Dieter freut sich über das frische Gas zum Köcheln und das Messer aus Lissabon, so hat doch alles noch sein Gutes.